Thema des Monats Mai – Mobbing

Teil 1: Was ist eigentlich dieses Mobbing?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So heißt es im Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Und trotzdem werden immer wieder Menschen jeden Alters Opfer von herabwürdigenden Angriffen, von psychischer Gewalt und Ausgrenzung. Neudeutsch nennt sich das „Mobbing“, obwohl im englischen Sprachgebrauch für den systematischen „Psychoterror“ eher das Wort bullying gebraucht wird.

Aber was genau versteht man nun unter diesem Begriff und warum scheint das Phänomen Mobbing in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus gerückt? Mit diesen und weiteren Fragen wollen wir uns in unserer Reihe „Thema des Monats“ im Mai auseinandersetzen.

Wikipedia verrät uns, dass Mobbing als „psychische Gewalt, die durch das wiederholte und regelmäßige, vorwiegend seelische Schikanieren, Quälen und Verletzen eines einzelnen Menschen durch eine beliebige Art von Gruppe oder Einzelperson definiert ist“. Mobbinghandlungen haben ein weites Spektrum und reichen von vermeintlich harmlosen, aber anhaltenden Beleidigungen über Gewaltandrohung und Demütigung bis hin zu sozialer Ausgrenzung und Verleumdung. All diesen Erscheinungsformen ist jedoch gemein, dass das Ziel dieser Angriffe herabgewürdigt, schikaniert und unter Druck gesetzt wird – oft mit schwerwiegenden Folgen für die betroffene Person.

Auch wenn Mobbing inzwischen nahezu alle Lebensbereiche betrifft, wurde der Begriff in seiner heutigen Bedeutung Ende der 1970er Jahre für Angriffe im beruflichen Kontext geprägt. Die Forschungen des Arztes und Psychologen Heinz Leymann führten dazu, dass das Thema zunehmend von Personalverantwortlichen, Gewerkschaften und Beratern auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Auch wenn es keine anerkannte Definition für Mobbing gibt, herrscht unter den Fachleuten weitestgehend Einigkeit über die Aspekte, die Mobbing ausmachen:

  • Mobbing bezeichnet systematische Handlungen, die sich widerholen. Mobbing ist also nicht zu verwechseln mit einmaligen Ausrutschern oder Handlungen aus dem Affekt.
  • Mobbing ist in seiner Natur bösartig und verletzend, gleich ob es sich in seiner Ausprägung um psychische oder physische Gewalt handelt.
  • Mobbing baut darauf auf, dass eine Person – das Opfer – dem oder den Angreifenden unterlegen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich diese Überlegenheit aus einer Hierarchie, einer persönlichen Eigenschaft der Beteiligten oder aus der Konstellation ergibt.
  • Mobbing führt dazu, dass das Opfer in der Regel nicht oder kaum in der Lage ist, sich zu behaupten und zu verteidigen.

So unterschiedlich die Formen von Mobbing sein können, so vielfältig sind auch die Situationen, in denen es auftritt. Diese und die Besonderheiten der einzelnen Settings schauen wir uns in der nächsten Ausgabe an.

Teil 2: Spielwiesen der Tyrannei – Wo Mobbing auftritt

Am bekanntesten ist Mobbing sicherlich im beruflichen und im schulischen Kontext. Die meisten haben wahrscheinlich bereits davon gehört, wie Kollegen oder gar der Chef selbst einzelnen Mitarbeitern die Zeit am Arbeitsplatz zur Tortur machen, oder kennen die Geschichten von Beleidigung und Demütigung auf dem Schulhof vielleicht auch aus dem eigenen Umfeld. Zugegeben, Schule und Arbeitsplatz bieten „ideale“ Voraussetzungen für die Entwicklung von Mobbing. Eigenheiten stechen in einer insgesamt eher homogenen Gruppe stärker hervor, die organisatorischen Strukturen ermöglichen die Entwicklung von Überlegenheitsdenken.

Leider sind Schule und Betrieb bei weitem nicht die einzigen Bereiche, in denen Mobbing auftritt. In anderen, weniger offensichtlichen Bereichen, sind die Mobbinghandlungen für die Betroffenen womöglich noch schwerer zu ertragen, da der Aspekt der Abhängigkeit hinzukommt. Dies finden wir in Mobbingsituationen in Familien oder Heimen, aber auch in einem kirchlichen Kontext. Hier besteht zwischen Tätern und Opfern häufig eine emotionale und/oder eine grundsätzliche Abhängigkeit, etwa zwischen Pfleger und Gepflegten, Eltern und Kindern, Geschwistern oder im Rahmen einer seelsorgerischen Verbindung. Die Betroffenen haben in diesen Situationen oft keinen Rückzugsort, sondern sind vielmehr gerade dort Angriffen ausgesetzt, wo sie sich sicher und zuhause fühlen sollten.

Finden die Mobbinghandlungen dann auch noch hinter verschlossenen Türen statt, ist es schwer, den Betroffenen zu helfen, solange diese nicht von sich aus Hilfe suchen. Es braucht dann, unabhängig vom Alter der Opfer, aufmerksame externe Vertrauenspersonen, die sich als Unterstützer anbieten und dabei auch auf emotionale Abhängigkeit und bestehende Loyalitäten zwischen Täter und Opfer Rücksicht nehmen.

Ganz gleich jedoch, in welchem Umfeld auftritt, Geduld und der Aufbau von Vertrauen sind essentiell, um den Betroffenen zur Seite zu stehen. Das gilt auch, wenn sich die Täter hinter Pseudonymen verstecken. Cybermobbing, also das Mobbing im Internet bzw. in digitalen Medien ist das Thema unserer nächsten Ausgabe.

Teil 3: Hinter Bits und Bytes – Mobbing im Internet

Das Internet hat viele Dinge erleichtert und zahlreiche neue Kommunikationswege geschaffen. Leider werde diese und weitere elektronische Kommunikationsmittel auch zunehmend für negative Zwecke gebraucht. Cybermobbing, wie sich diese Form des Angriffs nennt, trifft Personen des öffentlichen Lebens ebenso wie Menschen allen Alters, die privat im Internet unterwegs sind.

Cybermobbing kann viele Formen annehmen, von gesellschaftlicher Ausgrenzung über Diffamierung und Beleidigungen bis hin zu Bloßstellung oder einem digitalen Indentitätsdiebstahl, bei dem sich die Täter als ihr Opfer ausgeben und in seinem / ihrem Namen verletzende oder betrügerische Nachrichten verschicken. Allen gemein ist jedoch, dass die Täter häufig anonym bleiben und dadurch auch Hemmschwellen überschritten werden. Die Distanz zum Opfer und den Folgen des Mobbings führt zudem dazu, dass Empathie kaum noch eine Rolle spielt, während gleichzeitig ein permanentes und ortsunabhängiges Angreifen möglich ist und auch erfolgt.

Betroffen von Cybermobbing sind überwiegend Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene. Dies ist insofern von Bedeutung, da bei den direkten Bezugs- und Vertrauenspersonen (Eltern, Lehrkräfte) die Sensibilität für die Problematik nicht ausgeprägt ist und so häufig erst spät auf Warnsignale reagiert wird. Laut einer Studie des „Bündnis´ gegen Cybermobbing“ waren 2020 17,3 % der Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Der Vergleich mit Vorgängerstudien zeigt, dass die Zahl steigend ist und auch die Corona-Pandemie einen Einfluss auf diese Entwicklung hat. Gleichzeitig sind die Präventionsmaßnahmen an Schulen durch den Distanzunterricht zurückgegangen.

Aber auch bei Erwachsenen hat Cybermobbing gravierende Folgen. Selbstisolation, Selbstverletzung oder gar Suizidgedanken sind die schwerwiegendsten, aber ganz generell hat Cybermobbing stark negative Auswirkungen auf die empfundene Lebensqualität sowie die psychische und physische Gesundheit der Opfer.

Zur Anzeige kommen die Fälle von Cybermobbing, ebenso wie die des „klassischen“ Mobbings jedoch selten. Grund hierfür ist unter anderem die Angst, durch eine aktive Haltung noch stärker ins Blickfeld der Täter zu rücken. Auch die Anonymität des Internets lässt die Verfolgung der Täter aussichtslos erscheinen. Zudem ist Cybermobbing nicht als eigener Straftatbestand rechtlich verankert, lediglich einzelne Formen können strafrechtlich verfolgt werden. Dies gilt jedoch nur, wenn die genutzten Portale und Plattformen deutscher Rechtsprechung unterliegen – für viele populäre Medien wie WhatsApp oder Facebook ist dies jedoch nur begrenzt der Fall.

Fehlt also auch den Behörden die Sensibilität für die Auswirkungen von Cybermobbing? Oder ist es vielleicht doch alles nicht so schlimm? Wo Mobbing anfängt und Opfer Hilfe brauchen, werden wir in der nächsten Ausgabe unserer Reihe unter die Lupe nehmen.

Teil 4: Stell dich nicht so an!? – Wo fängt Mobbing an?

Opfer von Mobbing sehen sich häufig dem Vorwurf gegenüber, sie würden Dinge überbewerten, keinen Spaß verstehen oder sich anstellen.  Tatsächlich ist es schwierig, eine klare Abgrenzung zu allgemeiner Kritik, situativen Hänseleien und Scherzen zu ziehen. Selbst wenn der Betroffene das Handeln bzw. die Kritik subjektiv als unberechtigt und schikanierend empfindet, bedeutet dies nicht, dass ein Fall von Mobbing vorliegt.

Von Mobbing kann jedoch gesprochen werden, wenn es sich um kontinuierliche und systematische Angriffe handelt, die wiederholt mit dem Ziel ausgeübt werden, die betroffene Person zu schädigen und ihre Rechte zu beeinträchtigen. Auch vermeintlich harmlose Sticheleien, die diese Kriterien erfüllen, können somit als Mobbing gewertet werden. Eine Bewertung ist jedoch durch Außenstehende nicht immer leicht und auch so kann es zum Herunterspielen der Situation kommen.

Für die Betroffenen ist das eine schwierige Situation. Sie brauchen Rückendeckung von Menschen, denen sie vertrauen. Zweifeln diese Personen an der Legitimität der Aussagen und unterschätzen die Situation, kann sich das Mobbingopfer auch in seinem engsten Umfeld isoliert und zurückgesetzt fühlen. Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und in der Situation alleine dazustehen, verstärkt die Auswirkungen des Mobbings und steigert das Risiko, einen Ausweg in selbstverletzenden oder suizidalen Handlungen zu suchen.

Natürlich hat die eigene Bewertung von Mobbinghandlungen auch eine stark subjektive Komponente. Je nach psychischer Verfassung und „Nervenkostüm“ kann der eine die Attacken überspielen bzw. ignorieren, ein anderer jedoch nicht. Auch ist die tatsächliche Betroffenheit durch nicht Beteiligte nur schwer einzuschätzen, da auch sie ihre persönlichen Sichtweisen und Maßstäbe einfließen lassen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht immer einfach, Mobbingopfern angemessen zu begegnen und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.

In Ermangelung einer klaren strafrechtlichen Regelung bleibt das Urteil darüber, ob ein Fall von Mobbing vorliegt oder nicht, immer situationsabhängig und sollte durch den Betroffenen gut begründet werden.

Fakt ist jedoch, dass Menschen, die sich gemobbt fühlen und darunter leiden, ein entsprechendes Hilfsangebot benötigen, was in der jeweiligen Situation hilft, Stabilität und Unterstützung zu erfahren. Welche Möglichkeiten sich hier bieten, betrachten wir in der nächsten Folge.

Teil 5: Redet drüber! – Mobbingopfern wirksam helfen

Mit der zunehmenden Sensibilisierung für das Thema Mobbing nimmt auch die Zahl der Hilfsangebote zu. Verschiedene Vereine, Institutionen und Initiativen geben auf ihren Internetseiten Hinweisen, bieten Chats und Hotlines oder fassen praktische Tipps für Betroffene und ihre Vertrauenspersonen zusammen.

Die meisten dieser Angebote sind sich einig: Die Schuld liegt selten beim Opfer und auch wenn die Angst vor Unverständnis groß ist, sollte man sich Hilfe suchen.

Exemplarisch führen wir hier die fünf Tipps aus dem Malteser Online-Magazin „aware“ auf. Aber auch viele andere Organisationen bieten ähnliche Angebot oder ganze Programme an.

  1. Nicht allein bleiben
    Auch wenn die Sorgen und Ängste anfangs vielleicht nicht ernst genommen werden und es Überwindung kostet: Mobbing-Opfer sollten sich der Familie oder Freunden anvertrauen. Vielleicht gibt es auch Mitschüler und Arbeitskollegen, die einem den Rücken stärken können.
  2. Mobbing-Tagebuch führen
    Ein Mobbing-Tagebuch dokumentiert alle verbalen und nonverbalen Angriffe. Wer hat wann wie was gemacht? Es hilft dem Opfer, die Mobbing-Vorfälle zu belegen und die Schuld eindeutig von sich weisen zu können. Bei Cyber-Mobbing können zudem Screenshots von den Angriffen gemacht werden.
  3. Selbstvertrauen aufbauen
    Der private Rückhalt durch Familie und Freunde pusht das Selbstwertgefühl. Darüber hinaus helfen professionelle Kurse, in denen die Selbstbehauptung trainiert wird. In jeder Stadt gibt es solche Kurse. Weiterer Vorteil: Man lernt andere Betroffene kennen und kann sich mit ihnen austauschen und gemeinsam Strategien gegen die Mobber überlegen.
  4. Mobber gezielt ansprechen
    Mit genug Selbstbewusstsein können sich Opfer gegen die Mobber zu Wehr setzen. Mit einer lauten Frage wie „Was soll der Quatsch?“ oder der deutlichen Ansage „Lasst mich in Ruhe, ich will das nicht!“ rechnen die Mobber nicht. Zudem machen Betroffene das Mobbing damit öffentlich. Direkte Fragen an den Mobber bringen ihn womöglich aus dem Konzept, und er lässt von selbst ab. 
  5. Autoritätspersonen einweihen
    Lehrer, Vertrauenspersonen an der Uni oder der Betriebsrat bei der Arbeit sollten ebenfalls über das Mobbing Bescheid wissen. Bisweilen kann nur eine Autoritätsperson den Mobbern Einhalt gebieten und Konsequenzen ziehen.

(Quelle: https://www.malteser.de/aware/hilfreich/mobbing-hilfe-fuer-betroffene.html#c397928 )

Wer Mobbingopfern helfen möchte, sollte sie also vor allem in ihren Ängsten ernst nehmen und ihnen zuhören. Gemeinsam lassen sich dann die nächsten Schritte viel leichter gehen. In manchen Fällen ist zusätzlich eine psychologische Betreuung notwendig.

Ob Mobbing in der Schule, am Arbeitsplatz oder in den sozialen Medien: Wir hoffen, dass wir Sie mit dieser Serie für das Thema sensibilisieren konnten und Sie so in der Lage sind, Betroffenen in Ihrem Umfeld zur Seite zu stehen. Allen Betroffenen und ihren Unterstützern wünschen wir alles Gute!