Neue Erkenntnisse aus der Arbeitsmarktforschung: Negative Effekte von Sanktionen im Hartz IV-System auf Beschäftigung

Schneller ist nicht immer besser: Sanktionen können sich längerfristig negativ auf die Beschäftigung und auf die Beschäftigungsqualität auswirken. Das zeigen aktuelle Forschungsergebnisse des Instituts- für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Das IAB hat die längerfristigen Auswirkungen einer Sanktion für ALG-II-Beziehende im Alter von 25 bis 57 Jahren auf die Qualität von später aufgenommenen Beschäftigungsverhältnissen untersucht. Im Fokus der Untersuchung steht die erste Sanktion innerhalb eines Jahres, die auf eine Pflichtverletzung zurückgeht.
Wesentliche Ergebnisse:
In kurzfristiger Perspektive trägt eine Sanktion zu einer schnelleren Beschäftigungsaufnahme bei; drei Monate nach der Sanktion haben die Betroffenen im Vergleich zu nicht Sanktionierten bei den Männern eine um 15 Prozent und bei den Frauen eine um 22 Prozent höhere Beschäftigungswahrscheinlichkeit. Aber: Das hat schon kurzfristig einen Preis: Die meisten gelangen nur in eine niedrig entlohnte Beschäftigung.
In längerfristiger Perspektive verdichten sich die Nachteile. Rund fünf Jahre nach der Sanktion haben die Sanktionierten eine höhere Wahrscheinlichkeit als nicht Sanktionierte, eine schlechter entlohnte und nicht qualifikationsadäquate Beschäftigung auszuüben. Auf längere Sicht ist zudem die Wahrscheinlichkeit für Sanktionierte, überhaupt noch in Beschäftigung zu sein, geringer. Vier Jahre nach der Sanktion liegt sie für Männer um 3,5 Prozent und für Frauen um 5 Prozent niedriger. Das IAB vermutet, dass dies möglicherweise eine Folge geringerer Beschäftigungsstabilität sein könnte. Bei den stärker betroffenen Frauen nimmt das IAB an, dass die Frauen infolge einer Sanktion eher eine geringfügige Beschäftigung ausüben oder sich stärker vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
Der Paritätische fordert die Abschaffung der Sanktionen. Sie führen regelmäßig zu weitreichenden Kürzungen des verfassungsrechtlichen Existenzminimums, die nicht zu rechtfertigen sind, insbesondere wenn im Haushalt lebende Kinder mit sanktioniert werden. Die Sanktionen sind nach Auffassung des Paritätischen zudem nicht zweckmäßig, um Leistungsberechtigte in Erwerbsarbeit einzugliedern, insbesondere dann nicht, wenn die berufliche Eingliederung nachhaltig sein soll. Der Gesetzgeber ist nach wie vor gefordert, die Sanktionsregelungen im SGB II umfassend neu zu regeln, insofern das Bundesverfassungsgericht bereits am 05.11.2019 festgestellt hat, dass die geltenden Sanktionsregelungen teilweise unverhältnismäßig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
 

Zur Publikation:
https://www.iab-forum.de/schneller-ist-nicht-immer-besser-sanktionen-koennen-sich-laengerfristig-auf-die-beschaeftigungsqualitaet-auswirken/

Quelle:  Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., Tina Hofmann, 25.06.2021