„Es kann nicht sein, dass Menschen, denen das Notwendige fehlt, sich auf eine Versorgung auf Spendenbasis verlassen müssen“, kritisiert Michael David, Sprecher der AG Grundsicherung der Nationalen Armutskonferenz (nak). An vielen Orten übernähmen zum Beispiel die Tafeln Aufgaben, die eigentlich durch die Jobcenter gelöst werden müssten. „Tatsächlich sind Tafeln aber eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung“, sagt David: „Sie können, wollen und dürfen sozialstaatliche Regelleistungen nicht ersetzen.“
Die Nationale Armutskonferenz fordert, die sozialen Menschenrechte der Menschen in
Deutschland in diesem Herbst zum Maßstab staatlicher Hilfen zu machen. „Die Entlastungspakete der Bundesregierungen haben die Situation von in Armut Lebenden kaum im Blick“,
kritisiert David. „Einmalzahlungen und Steuerentlastungen bringen denen nichts, die keinerlei
Reserven haben.“ Auch decke die zum Januar 2023 geplante Erhöhung des Bürgergeldes
von 50 Euro für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung gerade einmal die Hälfte der
durch die Inflation gestiegenen Kosten ab.
Jürgen Schneider, Interessenvertreter von Menschen mit Armutserfahrung in der nak-Koordination: „Nötig wären 100 Euro zum Sofortausgleich. Aber auch schon vor der Inflation war
der Regelsatz um über 180 Euro zu niedrig. Die beliebigen Streichungen von Kosten für Küchenuhren, Weihnachtsbäume, Meerschweinchenfutter, Speiseeis, Balkonpflanzen und viele
andere Positionen haben den Regelsatz künstlich auf Kante genäht.“
Grund für dieses „schmale Schein-Existenzminimum“, so Jürgen Schneider, sei die Ignoranz
den sozialen Rechten der Menschen gegenüber. „2010 wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Lohnabstandsgebot aus den Sozialgesetzbüchern gestrichen.
Aber immer noch wird so getan, als sei dieses das höchste sozialstaatliche Glaubensbekenntnis. Dabei müssen Löhne zum Leben reichen, nicht minimale Sozialleistungen Menschen in prekäre Beschäftigung treiben.“
„Tatsächlich müsste sich die Bundesregierung am Internationalen Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte orientieren“, erläutert Michael David. „Das Existenzminimum ist
keine Gnade und kein Almosen, sondern ein verbrieftes, weltweit geltendes Menschenrecht.“
Pressemitteilung der Nationalen Armutskonferenz vom 21. Oktober 2022