Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind 2021 nochmals um 5 Milliarden Euro gestiegen

Die Arbeitslosigkeit ist im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr leicht um 3 Prozent auf 2.613.000 Personen gesunken. Dabei ist die Zahl der Arbeitslosengeld-I-Beziehenden deutlich um 138.000 (-12,1 %) auf 999.000 Personen gesunken, die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Beziehenden erhöhte sich hingegen leicht um 56.000 (+3,6 %) auf 1.615.000 Personen.

Dabei haben sich die Kosten pro Arbeitslosen um etwa 11 Prozent erhöht. So sind die Transferleistungen pro Arbeitslosen im Vergleich zu 2020 deutlich gestiegen, die Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld I hat sich im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um etwa 9 Prozent erhöht.

Die fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit betrugen 2021 insgesamt 67,9 Milliarden Euro (+8,1 % gegenüber 2020) und damit 1,89 Prozent des Bruttoinlandprodukts (2020: 1,84 %). Damit ist der von 2009 bis 2019 beobachtete Rückgang, der die fiskalischen Kosten um fast einen Prozentpunkt der Wirtschaftsleistung gesenkt hat, nun im zweiten Jahr in Folge unterbrochen. Bereits im Berichtsjahr 2020 kam es aufgrund der Covid-19-Pandemie zu erheblichen Kostensteigerungen.

Die gesamten fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit setzen sich aus Versicherungsleistungen, Sozialleistungen (beides wird im Folgenden unter “Transferleistungen” zusammengefasst) sowie Mindereinnahmen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zusammen.

Staatliche Ausgaben für Transferleistungen

Direkte Kosten der Arbeitslosigkeit entstehen durch die Transferzahlungen an Arbeitslosengeld-I- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Im Jahr 2021 betrugen diese einschließlich der abgeführten Sozialversicherungsbeiträge 39,5 Milliarden Euro und damit 58 Prozent der Gesamtkosten. Dabei zahlte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 19,4 Milliarden Euro an Versicherungsleistungen (knapp 29 % der Gesamtkosten), wovon 11,3 Milliarden Euro auf die Auszahlung des Arbeitslosengeldes I und 8,2 Milliarden auf die Sozialversicherungsbeiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung entfielen, die für die Arbeitslosen abgeführt wurden. Weitere direkte Kosten entstehen durch das Arbeitslosengeld II und damit zusammenhängende Sozialleistungen wie die Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung. Diese bildeten auch im Jahr 2021 mit 20,1 Milliarden Euro und einem Anteil von knapp 30 Prozent den größten Block der gesamtfiskalischen Kosten (siehe Abbildung 1).

Die Abbildung zeigt die Verteilung der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit nach Kostenarten für das Jahr 2021. Diese beliefen sich insgesamt auf 67,9 Milliarden Euro. Diese verteilen sich auf vier Blöcke: Ausgaben für Versicherungsleistungen (SGB III): 28,6 Prozent. Ausgaben für Sozialleistungen (SGB II): 29,6 Prozent. Mindereinnahmen bei Steuern: 16,2 Prozent. Mindereinnahmen bei Sozialbeiträgen: 25,6 Prozent. Quelle: Berechnungen des IAB.

Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte

Die Arbeitslosigkeit verursacht nicht nur höhere staatliche Ausgaben, sie führt wegen des niedrigeren Steueraufkommens und der geringeren Sozialbeiträge auch zu weniger Einnahmen bei den Gebietskörperschaften sowie den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung. Diese indirekten Kosten betrugen im Jahr 2021 insgesamt 28,4 Milliarden Euro und damit 42 Prozent der Gesamtkosten. Bei der Berechnung dieser Mindereinnahmen wird von einem durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, das die Arbeitslosen theoretisch erzielen könnten, wenn sie beschäftigt wären.

Die Gebietskörperschaften mussten im Jahr 2021 Steuerausfälle in Höhe von insgesamt 11 Milliarden Euro hinnehmen, was etwa 16 Prozent der Gesamtkosten entspricht. Dabei haben sie aufgrund der Ausfälle bei den Arbeitseinkommen 9,4 Milliarden weniger an Lohn- und Einkommensteuern eingenommen. Das Aufkommen der indirekten Steuern wie der Umsatzsteuer war um 1,6 Milliarden geringer, denn die Privathaushalte schränken in der Regel ihre Konsumausgaben ein, wenn ihr Budget durch Arbeitslosigkeit geschmälert wird.

Die Sozialversicherungsträger (Rentenversicherung, Kranken- und Pflegekassen sowie BA) mussten im Jahr 2021 durch die Arbeitslosigkeit verursachte Mindereinnahmen in Höhe von 17,4 Milliarden Euro (etwa 25 % der Gesamtkosten) in Kauf nehmen, da die abgeführten Beiträge für arbeitslose Leistungsempfänger geringer sind als jene, die aus einem Arbeitseinkommen entrichtet würden. Die Arbeitslosenversicherung muss bei Arbeitslosen komplett auf Einnahmen verzichten, da vom Arbeitslosengeld I und II keine Beiträge abgeführt werden. Die höchsten Beitragsausfälle verzeichnete mit 9,3 Milliarden Euro die Rentenversicherung. Den Krankenkassen sind durch die Arbeitslosigkeit Einnahmen in Höhe von 5,3 Milliarden Euro entgangen, bei der Arbeitslosenversicherung waren es 1,7 Milliarden, bei der Pflegeversicherung 1,0 Milliarden Euro.

Den größten Ausgabenblock trug die BA mit 31 Prozent der Gesamtkosten, gefolgt vom Bundeshaushalt mit 28 Prozent und der Rentenversicherung mit knapp 14 Prozent (siehe Abbildung 2).

Die Abbildung zeigt die Verteilung der Kosten der Arbeitslosigkeit auf die öffentlichen Haushalte für das Jahr 2021. Die Anteile verteilen sich wie folgt: Bundesagentur für Arbeit 31 Prozent, Bund 28 Prozent, Rentenversicherung 14 Prozent, Gemeinden 11 Prozent, Krankenversicherung 8 Prozent, Länder 7 Prozent, Pflegeversicherung 1 Prozent. Quelle: Berechnungen des IAB.

Seit dem Jahr 2020 sind alle Kostenarten stark gestiegen, am meisten die Versicherungsleistungen nach SGB III (siehe Abbildung 3). Seit 2005, also längerfristig betrachtet, reduzierten sich insbesondere die Kosten der BA; sie betrugen im Jahr 2019 nur noch etwa 40 Prozent der Kosten des Jahres 2005, stiegen aber im Jahr 2020 wieder auf knapp 60 Prozent und im Jahr 2021 auf 66 Prozent des Niveaus von 2005 (siehe Abbildung 4). Der deutliche Anstieg bei den Kosten der Pflegeversicherung ist insbesondere der Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte auf 3,05 Prozent zum 01.01.2019 geschuldet, da damit auch die Mindereinnahmen wegen Arbeitslosigkeit deutlich angestiegen sind.

Die Abbildung zeigt die Veränderung der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit zwischen 2055 und 2021 nach Kostenarten. Bis 2019 gingen alle Kostenarten mehr oder wenig stark zurück, im Durchschnitt auf knapp 60 Prozent des Niveaus von 2005. Danach stiegen sie bis 2021 im Schnitt wieder auf über 75 Prozent des Niveaus von 2005 an. Quelle: Berechnungen des IAB.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit zwischen 2005 und 2021 nach öffentlichen Budgets. Bis 2019 sanken die Kosten im Durchschnitt auf knapp 60 Prozent des Niveaus von 2005. Danach stiegen sie bis 2021 im Schnitt wieder auf über 75 Prozent des Niveaus von 2005 an. Unterm Strich nahmen die Kosten für die Bundesagentur für Arbeit mit rund 35 Prozent am stärksten ab, während die Kosten der Pflegeversicherung gegenüber 2005 um fast 25 Prozent zulegten. Quelle: Berechnungen des IAB.

Ausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik

In Deutschland werden erhebliche Mittel für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Diese zielt darauf ab, Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zumindest die Dauer solcher Zeiten zu verkürzen. Sie besteht in Normalzeiten insbesondere aus Beratung und Unterstützung der Vermittlung, Förderung der beruflichen Erstausbildung und Qualifizierungsmaßnahmen sowie beschäftigungsbegleitenden und Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Die Ausgaben der BA für das Kurzarbeitergeld zählen ebenfalls zur aktiven Arbeitsmarktpolitik, denn damit wird versucht, konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Kosten der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden aus systematischen Gründen jedoch nicht zu den gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit gezählt. Zum Teil refinanzieren sich diese Ausgaben durch Einsparungen bei den Kosten der Arbeitslosigkeit. Die Summe der aktiven Maßnahmen beziehungsweise der Leistungen der BA wird im Folgenden unter Arbeitsmarktpolitik zusammengefasst.

Die Leistungen der Arbeitsmarktpolitik entwickeln sich überwiegend antizyklisch und stabilisieren so die konjunkturelle Entwicklung und den Arbeitsmarkt. Dementsprechend erreichten die Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik innerhalb der letzten Jahre ihren Höhepunkt mit 33,3 Milliarden Euro im Corona-Jahr 2020 und haben sich damit gegenüber dem Jahr 2019 fast verdreifacht. Die Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik sanken im Jahr darauf leicht auf 31,7 Milliarden Euro, waren aber immer noch deutlich höher als der Spitzenwert im Rezessionsjahr 2009 mit knapp 22 Milliarden Euro. Allein die Auszahlung des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes hat den Haushalt der BA im Jahr 2021 mit 21 Milliarden Euro (2020: knapp 23 Milliarden Euro) belastet. Die Ausgaben für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld waren damit auch wesentlich höher als während der Wirtschaftskrise 2009 mit 5,2 Milliarden Euro. Damit wurden in erheblichem Maße Kosten der Arbeitslosigkeit vermieden, wie ein Beitrag von Enzo Weber für das IAB-Forum aus dem Jahr 2020 zeigt.

Fazit

Die fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit stiegen von annähernd 63 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf knapp 68 Milliarden Euro im Jahr 2021. Damit machten sie 1,89 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Der Abwärtstrend der Kosten der Arbeitslosigkeit von 4,2 Prozent des BIP im Jahr 2004 auf knapp 1,5 Prozent im Jahr 2019 wurde damit in den Corona-Jahren 2020 und 2021 unterbrochen. Da die Reserven der BA im Zuge der Corona-Krise komplett aufgebraucht wurden, brauchte die BA im Jahr 2021 wiederum eine Liquiditätshilfe des Bundes in Höhe von 16,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,9 Milliarden Euro), um ihren Haushalt auszugleichen.

Will die BA im Falle einer Rezession nicht sofort auf Bundesmittel zurückgreifen müssen, so braucht sie eine entsprechende Finanzreserve. Auch die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Arbeitslosenversicherung damit deutlich konjunkturstabilisierend wirkt. Die Rücklage in Höhe von 25,8 Milliarden Euro Ende 2019 hätte ausgereicht, um einen normalen Arbeitsmarktabschwung abzufedern, allerdings nicht eine Rezession, wie sie durch die Covid-19-Pandemie ausgelöst wurde. In den nächsten Jahren steht die BA vor der Herausforderung, wieder eine Rücklage in ausreichender Höhe als Vorsorge für die nächste Rezession aufzubauen. Diese Reserve sollte eine Höhe von 0,65 Prozent des BIP erreichen, um eine durchschnittliche Rezession abfedern zu können, ohne auf die Hilfe des Bundes angewiesen zu sein (lesen Sie dazu den IAB-Kurzbericht 3/2017). Für eine solche Rücklage würden aktuell etwas mehr als 25 Milliarden Euro benötigt. Um dies in absehbarer Zeit zu erreichen, müssten Ausgaben in substantiellem Maße gesenkt, die Finanzentwicklung durch eine außergewöhnlich gute Arbeitsmarktentwicklung verbessert oder der aktuelle Beitragssatz noch etwas angehoben werden (die entsprechenden Analysen finden Sie im IAB-Kurzbericht 27/2021).

Literatur

Gartner, Hermann; Hutter, Christian; Weber, Enzo (2021): Große Rezession und Corona-Krise: Wie der Arbeitsmarkt zwei sehr unterschiedliche Krisen bewältigt, IAB-Kurzbericht Nr. 27.

Hausner, Karl Heinz; Weber, Enzo (2017): Einnahmen und Ausgaben der Arbeitslosenversicherung: Der BA-Haushalt stabilisiert die Konjunktur, IAB-Kurzbericht Nr. 3.

Weber, Enzo (2020): Jobs retten oder Stillstand finanzieren? Nur mit Qualifizierung dürfte sich Kurzarbeit für den Fiskus auf Dauer auszahlen. In: IAB-Forum, 20.11.2020.

In aller Kürze

  • Obwohl die Arbeitslosigkeit 2021 leicht um 3 Prozent auf 2.613.000 Personen gesunken ist, stiegen die fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit um etwa 8 Prozent auf 67,9 Milliarden Euro. Die gesamten fiskalischen Kosten setzen sich aus Versicherungsleistungen, Sozialleistungen sowie Mindereinahmen an Steuern und Sozialversicherungsbeträgen zusammen. Sie betrugen im Jahr 2021 1,89 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
  • Die Kostensteigerung kann mit der Covid-19-Pandemie sowie mit gestiegenen Transferleistungen pro Arbeitslosen (+11 %) erklärt werden.
  • Die größten Anteile der Ausgabenfinanzierung entfallen auf die Bundesagentur für Arbeit (31 %) und auf den Bund (28 %).
  • Den größten Block der Gesamtkosten bilden mit 20,1 Milliarden Euro und einem Anteil von 29,6 Prozent die Sozialleistungen nach dem SGB II, welche auch die Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung beinhalten. Die Ausgaben für Versicherungsleistungen nach dem SGB III betrugen 19,4 Milliarden Euro bzw. 28,6 Prozent der Gesamtkosten.
  • Die Arbeitslosigkeit verursacht nicht nur höhere staatliche Ausgaben, sie führt wegen des niedrigeren Steueraufkommens und der geringeren Sozialbeiträge auch zu Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte. Bei deren Berechnung wird von einem durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, das die Arbeitslosen theoretisch erzielen könnten, wenn sie beschäftigt wären. Diese indirekten Kosten betrugen 28,4 Milliarden Euro und damit 42 Prozent der Gesamtkosten.
  • Leistungen der Arbeitsmarktpolitik wie das Kurzarbeitergeld gehören zur aktiven Arbeitsmarktpolitik und werden daher aus systematischen Gründen nicht zu den gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit gezählt. Im Jahr 2021 beliefen sich die Kosten der Arbeitsmarktpolitik auf 31,7 Milliarden Euro, wobei 21 Milliarden Euro auf das Kurzarbeitergeld entfielen.
  • Um eine durchschnittliche Rezession abfedern zu können, Bedarf es einer Rücklage der Bundesagentur für Arbeit von etwa 25 Milliarden Euro.

Bericht von Karl-Heinz Hausner, Enzo Weber und Yasemin Yilmaz, erschienen am 28. Dezember 2022 im IAB-Forum