Jobcenter-Steckbrief:

Das Jobcenter Vorpommern-Rügen mit seinen rund 300 Mitarbeitenden ist das einzige kommunale Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern. Der Eigenbetrieb betreut rund 9.600 Bedarfsgemeinschaften. Im Februar 2023 lag die Arbeitslosenquote bei 11,1 Prozent, davon 6,2 Prozent im SGB II. Der regionale Arbeitsmarkt ist geprägt vom Tourismus – die Hotel- und Gastronomiebranche spielen wichtige Rollen.  

Frau Kruske, Sie leiten seit Anfang 2023 das kommunale Jobcenter Vorpommern-Rügen. Wie haben Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vorbereitet?  

Das SGB II beschäftigt mich bereits mein ganzes Arbeitsleben. Im Jahr 2005, kurz nach dem Studium, hatte ich als Sachbearbeiterin in der Widerspruchsstelle angefangen. Es folgten vielfältige Stationen; zuletzt hatte ich 2018 den operativen Bereich hier im Jobcenter Vorpommern-Rügen übernommen. Als Fachdienstleiterin war ich auch stellvertretende Betriebsleiterin und konnte in dieser Position meiner Vorgängerin Karina Werner mehr als drei Jahre über die Schulter schauen. Viele Dinge hatten Frau Werner und ich in der Zeit gemeinsam angestoßen, das Jobcenter ist mir also bestens vertraut. Allerdings nehme ich die vielen Handlungsfelder, die unser Haus neben dem eigentlichen gesetzlichen Auftrag des SGB II beschäftigen, seit meiner neuen Aufgabe als Betriebsleiterin nochmal intensiver wahr. Dazu zählen etwa interne Angelegenheiten, die Herausforderungen der Digitalisierung und die Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik. Von Frau Werner habe ich aber eine gut laufende Behörde übernommen, hinter mir steht ein super Team. Ich freue mich sehr auf die Herausforderung und die Chance, Dinge gestalten zu können. 

Stichwort Gestaltung: Welche Pläne haben Sie bereits für Ihr Jobcenter? 

Ich habe nicht vor, vieles grundlegend anders zu machen, sondern eher zusätzlich. Zum Beispiel plane ich

  • eine Bürgerbefragung: Wir überlegen gerade, wie wir die nächste Stufe des Bürgergeldes umsetzen. In dem Zuge hatten wir die Idee, konkret bei den Bürgerinnen und Bürgern nachzuhaken, was sie sich überhaupt von uns als Jobcenter wünschen: Zu welchen Zeiten kommen sie am liebsten ins Haus? Wie würden sie gerne mit uns kommunizieren? Aktuell sammeln meine Mitarbeitenden konkrete Ideen, welche Fragen wir stellen sollten. Wir wollen die Umfrage im Laufe des Jahres über die Bühne bringen. 
  • ein Betriebsfest: Wir haben gut 300 Mitarbeitende an vier Standorten. Ich habe oft das Gefühl, dass die Kolleginnen und Kollegen aufgrund der vielen Videobesprechungen der letzten Jahre gar nicht mehr so genau voneinander wissen, was die anderen überhaupt machen. Gleichzeitig nehme ich wahr, dass es ein starkes Bedürfnis gibt, wieder mehr in den Austausch zu gehen. Das Betriebsfest soll dafür einen informellen Rahmen bieten.  
  • Führungskräfte-Partnerschaften: Auch wir haben in unserem Jobcenter einen großen Bedarf an Nachwuchsführungskräften. In meiner eigenen beruflichen Laufbahn habe ich es häufig erlebt, dass man in Führungspositionen „reinstolpert“: Man übernimmt ein neues Team, muss sich fachlich noch auf den aktuellen Stand bringen, und hätte manchmal gern jemanden an seiner Seite, mit dem man sich themen- und teamübergreifend über bestimmte Situationen austauschen kann. Und damit meine ich nicht die Person, die für die fachliche Einarbeitung zuständig ist. Darum möchte ich Führungskräfte-Partnerschaften einführen: Neue Führungskräfte bekommen eine Kollegin oder einen Kollegen mit Personalerfahrung an die Seite gestellt. Die bisherige interne Resonanz ist sehr gut: Die Führungskräfte, die schon lange bei uns sind, sind bereit, die Führungskräfte-Tandems mitzutragen. 

Sie legen als Betriebsleiterin einen starken Fokus auf den Austausch, die interne Vernetzung und die Eigenverantwortung Ihrer Mitarbeitenden.  

Absolut. Das halte ich für den richtigen Umgang miteinander. Die aktuellen Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir nur gemeinsam meistern. Meine Mitarbeitenden sollen ihr Potenzial nutzen und sich ausprobieren dürfen, denn nur so sammeln wir wertvolle Erfahrungen. Ich räume meinen Führungskräften einen großen Gestaltungsspielraum ein, den ich andererseits aber auch einfordere. Wir werden uns als Organisation nur weiterentwickeln können, wenn wir uns verändern. Deswegen bin ich auch großer Fan davon, Dinge einfach mal auszuprobieren, zum Beispiel im Rahmen von Pilotprojekten.  

Sie haben gerade die aktuellen Herausforderungen angesprochen. Inwieweit ist Ihr Jobcenter als Eigenbetrieb mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert als andere Jobcenter?  

Einerseits schätze ich es sehr, dass wir uns als Eigenbetrieb unsere Prioritäten, unser Tempo und auch die Ausführung und Umsetzung an vielen Stellen weitgehend selbst vorgeben können. Das hat viele Vorteile, und auch die Zusammenarbeit mit unserem Ansprechpartner im zuständigen Landesministerium ist sehr wertschätzend. Auf der anderen Seite sind wir das einzige kommunale Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern, und manchmal blicke ich neidisch auf Hessen oder die anderen südwestlichen Bundesländer: Die dortigen Landesministerien führen beispielsweise regelmäßige Austauschrunden mit mehreren kommunalen Jobcentern durch und haben sogar eigene Stabsstellen eingerichtet. Diese Synergien haben wir nicht, bei uns läuft alles in Eigenregie. Aktuell ist zum Beispiel die Digitalisierung ein Riesenthema bei uns. Wir führen derzeit ein neues Fachprogramm ein, müssen dafür die Mitarbeitenden schulen, die Daten aus dem alten Programm überführen – kurzum: sehr viele Kapazitäten freischaufeln, die wir eigentlich an anderer Stelle benötigen. Das geht aber nicht nur uns so, sondern vielen kommunalen Jobcentern. Viele Häuser machen sich momentan selbst auf den Weg, ohne konkret zu wissen, wie es mit der Digitalisierung im Zuge des Onlinezugangsgesetzes weitergeht.  

Trotz all der Nebenbaustellen hat Ihr Jobcenter im Dezember 2022, kurz vor Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes, noch eine Workshop-Reihe ins Leben gerufen, um die Einführung des Bürgergeldes zu begleiten. Gibt es dazu ein erstes Zwischenfazit? 

Wir haben das Bürgergeld von Beginn an als Gesamtprojekt betrachtet, vor allem, was die Denkweise aller Mitarbeitenden anbelangt. Darum haben wir uns frühzeitig für externe Unterstützung bei der Workshop-Reihe entschieden. Außerdem konnten die Teamleiter mitentscheiden: Worum wollen wir uns zuerst kümmern? In welche Richtung sollte die Umsetzung gehen? Den Kooperationsplan haben wir schnell ausgearbeitet, und auch unser bisheriges Einladungsschreiben haben wir bereits in bürgerfreundliche Sprache übersetzt. Aktuell sind die Kolleginnen und Kollegen dabei, unser Beratungskonzept zu überprüfen. Uns stellt sich vor allem die Frage, wie wir künftig mit unseren Leistungsbeziehenden zusammenarbeiten. Ich lese das Bürgergeld-Gesetz durchaus so, dass künftig der Wille der Bürgerin oder des Bürgers den Beratungsweg mitgestaltet. Wer uns als Unterstützung sieht und Hilfe wünscht, wird auch weiterhin intensiv von uns begleitet. Ich bin realistisch: Alle Beteiligten werden wir nicht abholen können, weder intern noch extern. Aus Erfahrung weiß ich aber auch, dass wir stürmische Zeiten – mit denen wir uns hier an der Ostsee auskennen – immer dann am besten meistern, wenn wir mit vereinten Kräften arbeiten.

Mehr über die Workshop-Reihe an der Waterkant erfahren Sie in diesem Bericht. Weitere spannende Jobcenter-Einblicke aus erster Hand finden Sie auf unserer Themenseite „Personalien".

erschienen am 24. März 2023, Servicestelle SGB II