Im im April erschienenen Bericht der OECD zu Weiterbildung in Deutschland werden die Veränderungen des Arbeitsmarktes und der künftige Bildungsbedarf der Beschäftigten und Arbeitsuchenden beschrieben. Dazu erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:
“Der OECD-Bericht zeigt, dass vor allem eine passgenaue Weiterbildung und Angebote zur beruflichen Neuorientierung für prekär Beschäftigte und Erwerblose dringend nötig sind. Die Veränderungen in der Wirtschaft durch Digitalisierung und Klimawandel erfordern sehr viele neue Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Dafür ist das deutsche Weiterbildungssystem bisher nicht ausreichend gewappnet.”
Der OECD zufolge hat die Corona-Pandemie den Wandel der Berufswelt beschleunigt. Dieser Strukturwandel auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird vor allem für Geringqualifizierte zu einem großen Problem.
Loheide: “Der rasante Umbau des Arbeitsmarktes gefährdet vor allem die Jobsituation gering Qualifizierter. Menschen ohne Berufsausbildung drohen auf der Strecke zu bleiben, wenn sie nicht durch passgenaue Qualifizierungsmöglichkeiten erreicht werden. Bisher kommen sie in der deutschen Weiterbildungslandschaft kaum vor. Wir brauchen für sie endlich eine Weiterbildungsoffensive.”
Loheide mahnt, vor allem digitale Kompetenzen müssten viel stärker vermittelt werden: “Langzeitarbeitslose, Menschen in der Grundsicherung und Beschäftigte mit prekären Jobs brauchen hier Unterstützung. Auch die öffentlich geförderte Beschäftigung muss stärker ausgebaut werden, um allen Teilhabe zu ermöglichen.”
Die Diakonie begrüßt daher die von der OECD empfohlene Bund-Länder-Initiative für kostenlose oder kostengünstigen Zugänge zu Lernangeboten im gesamten Bundesgebiet. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Diakonie auch sinnvoll, eine zentrale Anlaufstelle für Weiterbildungsangebote zu schaffen.
Hintergrund:
Die OECD stellt in ihrem Bericht vor allem Reformbedarf im deutschen Weiterbildungssystem fest, um die Teilnahmequoten von Menschen mit wenigen Grundkompetenzen an Weiterbildungen zu erhöhen.
Als ein Grundproblem sieht die OECD die Komplexität der Weiterbildungsstrukturen in Deutschland und das Fehlen einer einfach zugänglichen Anlaufstelle. Auch das Fehlen flexibler Angebote an Teilqualifizierungen und modularisierten Weiterbildungen wird bemängelt. Diese können vor allem einen inklusiveren Zugang zu Weiterbildung für lernentwöhnte Menschen oder Menschen in herausfordernden Lebenslagen bieten. Auch mehr finanzielle Anreize zur Teilnahme an Qualifizierungen während des Leistungsbezugs werden vorgeschlagen. Flankiert werden muss dies alles laut OECD mit mehr Investitionen in das Weiterbildungssystem.
Auf diese Befunde reagiert auch die Diakonie Deutschland in ihrem kürzlich vorgelegten Konzept “Existenzsicherung neu denken – Hartz IV überwinden”. Darin schlägt die Diakonie die Schaffung von Kompetenzzentren für Arbeit und berufliche Bildung als zentrale Anlaufstellen für Weiterbildung und Arbeitsförderung vor. Auch passgenaue, modularisierte Angebote zur Weiterbildung und eine mit finanziellen Anreizen verbundene Arbeitsförderung sind im Konzept enthalten.
Zudem fordert die Diakonie die Entfristung des §16i SGB II, um langzeitarbeitslosen Menschen, die am entferntesten vom ersten Arbeitsmarkt sind, ein Angebot zur Teilhabe an Arbeit machen zu können. Dies geschieht durch eine öffentlich geförderte Beschäftigung in Verbindung mit einem ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Coaching.
Weitere Informationen zum OECD-Bericht finden Sie hier.
Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Kathrin Klinkusch, 23.04.2021