Der bundesweite Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit nimmt seit 2003 eine wichtige Rolle darin ein, den Soziallagenbezug in der Gesundheitsförderung und die Zusammenarbeit über Sektoren und Disziplinen hinweg zu stärken. Der unabhängige Beratende Arbeitskreis des Kooperationsverbundes begrüßt den erheblichen personellen Aufwuchs und die Stärkung der Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), die mit dem Pakt für den ÖGD angestrebt werden.
Kommunen tragen maßgeblich die Verantwortung für die ressortübergreifende Steuerung der gesundheitsförderlichen Entwicklung von Lebenswelten. Diese können sie nur mit Unterstützung der übergeordneten föderalen Ebenen sicherstellen. Um Koordination und Kooperation im Sinne des Health in All Policies-Ansatzes der WHO auf kommunaler Ebene zu stärken, müssen die bisher freiwilligen Koordinierungsaufgaben gemäß des „Leitbildes für einen modernen ÖGD“ als Pflichtaufgaben in die Landes- Gesundheitsdienstgesetze aufgenommen und im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden. Auch die für eine sozialkompensatorische Ausrichtung des ÖGD unverzichtbaren Aufgaben der kommunalen Gesundheitsberichterstattung und Beratung von Angehörigen vulnerabler Gruppen müssen als Pflichtaufgaben in die Landesgesetze aufgenommen werden.
Die nachhaltige Stärkung und Aufgabenerfüllung gemäß des „Leitbildes für einen modernen ÖGD“ in guter Qualität erfordert eine unbefristete Finanzierung der neu zu schaffenden Stellen. Für verschiedene Bereiche (Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Sozialpsychiatrischer Dienst u.a.) liegen Anforderungsprofile vor, die personelle Ausstattung ist an diese Aufgaben anzupassen.
Gesundheitliche Chancengleichheit als zentrales Ziel kommunaler Gesamtkonzepte erfordert die fachliche Interdisziplinarität innerhalb des ÖGD und die Zusammenarbeit mit weiteren kommunalen Aufgabenbereichen (z.B. Kinder- und Jugendhilfe, Altenhilfe, Schulamt, Sozialamt, Umwelt, Stadtentwicklung/Stadtplanung) sowie der Sozialversicherung:
– Als moderne Behörde muss der ÖGD auf ein bürgernahes, vernetztes und partnerschaftliches Zusammenarbeiten mit relevanten Akteuren aus Politik, Verwaltung, Sozialversicherung und Zivilgesellschaft ausgerichtet sein.
– Beim ÖGD liegt die fachliche, rechtliche und organisatorische Federführung des Auf- und Ausbaus integrierter kommunaler Strategien zur Gesundheitsförderung und Prävention, nicht allein als Modellprojekte, sondern regelhaft und flächendeckend.
– Der ÖGD richtet seine Aufgabenwahrnehmung an wissenschaftlichen und evidenzbasierten Grundlagen aus. Für den Auf- und Ausbau nachhaltiger Kooperationen mit entsprechenden Institutionen (u.a. Hochschulen der Gesundheitswissenschaften und Public Health, Landesgesundheitsämter, BZgA, RKI) sind personelle Ressourcen einzuplanen.
– Eine zielorientierte Maßnahmenplanung erfordert eine kleinräumige, integrierte Gesundheits-, Sozial- und Umweltberichterstattung. Hierfür müssen zeitgemäße Indikatorensysteme entwickelt werden. Unabdingbar notwendig ist es, den Fachleuten auf der kommunalen Ebene eine landesweit einheitliche methodische und EDV-bezogene Unterstützung von der Landesebene her zur Seite zu stellen.
– Die ressortübergreifende und institutionelle Zusammenarbeit in allen Belangen der Daseinsvorsorge ist im Sinne eines Kooperationsgebotes verbindlich zu regeln. Die Beteiligung entsprechender Fachkräfte des ÖGD an allen Planungsprozessen der kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Kommunen ist sicherzustellen.
– Um Belange gesundheitlicher Chancengleichheit in der räumlichen und Umweltplanung (u.a. Stadtentwicklung/Stadtplanung, Freiraumplanung, Lärmaktionsplanung, Luftreinhalteplanung, Verkehrsplanung, Wohnentwicklungskonzepte) zu stärken und damit gesundheitsförderliche Lebenswelten zu schaffen, ist es erforderlich, den ÖGD in den Kommunen zu qualifizieren bzw. Fachkräfte einzubinden.
– Durch die fachliche Qualifizierung und aktive Einbindung in die Einwicklung und Umsetzung von Vulnerabilitätsanalysen und Klimaanpassungsstrategien und -konzepten wird der ÖGD zukünftig einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den gravierenden gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, insbesondere durch Hitzeereignisse, Veränderungen von Infektionserkrankungen oder neue Zoonosen, zu begegnen.
Ziel muss es sein, in einem klar benannten Zeitraum einen modernen Public- Health-Dienst zu schaffen: sozialkompensatorisch, multiprofessionell und stabil finanziert. Er muss rechtlich verbindlich geregelt und durch eindeutige Beschlüsse der kommunalen Entscheidungsgremien abgesichert sein.
Diese Empfehlungen richten sich primär an den Beirat zur Beratung zukunftsfähiger Strukturen im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Umsetzung des Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Die Mitglieder des Beratenden Arbeitskreises des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit sind hier aufgeführt: www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/kooperationsverbund/struktur/beratender-arbeitskreis. Mitarbeitende des Bundes- und der Landesgesundheitsministerien sowie der kommunalen Spitzenverbände haben sich an der Abstimmung dieser Empfehlungen nicht beteiligt.
Quelle: Information der Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit vom 26.07.2021