Der betriebliche Personalbedarf in Deutschland ist – gemessen an den offenen Stellen – nach wie vor hoch: Im ersten Quartal dieses Jahres gab es bundesweit 1,75 Millionen offene Stellen (siehe Abbildung 1). Das von den Betrieben berichtete gesamtwirtschaftliche Stellenangebot ist damit gegenüber dem Vorquartal um 237.000 offene Stellen gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von 11,9 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresquartal 2022 stieg die Zahl der berichteten offenen Stellen geringfügig um 7.700 beziehungsweise 0,4 Prozent.
Die Zahl der offenen Stellen setzt sich aus den der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten sowie den über andere Suchkanäle ausgeschriebenen offenen Stellen zusammen. Von den 1,75 Millionen offenen Stellen waren im ersten Quartal dieses Jahres laut Angaben der Betriebe 700.400 offene Stellen der BA gemeldet. Dies entspricht einer Meldequote von 40 Prozent.
In der jüngeren Vergangenheit trafen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie den Arbeitsmarkt in unterschiedlicher Intensität und führten zu einem deutlichen Rückgang der offenen Stellen in fast allen Bereichen. Nach den pandemiebedingten Lockdowns hat sich der Arbeitsmarkt jedoch schnell erholt. Ein Teil des in den vergangenen Quartalen beobachteten Anstiegs der offenen Stellen dürfte auf einen in den Lockdowns entstandenen Ersatzbedarf zurückzuführen sein, da die Betriebe ihre Rekrutierungsanstrengungen aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit zunächst reduziert hatten.
Arbeitskräftebedarf nach Branchen und Betriebsgrößen
Zugleich variiert die Entwicklung der offenen Stellen im Jahresvergleich von Branche zu Branche sehr stark (siehe Abbildung 2). Im ersten Quartal 2023 fiel der Anstieg in den Bereichen „Unternehmensnahe Dienstleistungen“ sowie „Verkehr und Lagerei“ gegenüber dem ersten Quartal 2022 mit einem Plus von rund 37.000 beziehungsweise 21.000 Stellen überdurchschnittlich hoch aus.
Ein größerer Rückgang zeigt sich hingegen im Baugewerbe mit einem Minus von 18.000 offenen Stellen und im Verarbeitenden Gewerbe mit minus 21.000 offenen Stellen. In den verbleibenden Branchen hat sich der Bestand an offenen Stellen nur geringfügig gegenüber dem Vorjahresquartal geändert.
Dass einige Branchen mittlerweile wieder einen Rückgang an offenen Stellen verzeichnen, signalisiert, dass der kontinuierliche Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs aus den Vorquartalen zunächst gestoppt ist. Der Rückgang an offenen Stellen lässt sich zum Teil durch die schwache Konjunkturdynamik im ersten Quartal erklären (lesen Sie dazu im IAB-Forum auch die Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage vom April dieses Jahres).
Deutliche Unterschiede zeigen sich zudem bei der Entwicklung der offenen Stellen für verschiedene Betriebsgrößenklassen (siehe Abbildung 3). Der Bestand an offenen Stellen für Betriebe mit weniger als 50 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ist im Jahresvergleich um rund 13.000 Stellen gesunken. Betriebe mit 50 bis 249 Beschäftigten verzeichnen hingegen gegenüber dem Vorjahresquartal eine Zunahme von 15.000 Stellen und Betriebe mit mehr als 250 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ein Plus von 6.000 offenen Stellen.
Wie unter anderem im IAB-Kurzbericht 18/2017 gezeigt, haben größere Betriebe im Vergleich zu kleineren in der Regel geringere Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen. Daher weisen größere Betriebe im Mittel kürzere Besetzungsdauern auf. Da die Stellen größerer Betriebe deswegen kürzer im Bestand verbleiben, kann die höhere absolute Bestandsveränderung nicht durch einen längeren Verbleib der offenen Stellen im Bestand erklärt werden. Die höhere Veränderung an offenen Stellen deutet vielmehr darauf hin, dass bei größeren Betrieben ein entsprechend höherer Neuzugang an offenen Stellen als bei kleineren Betrieben stattgefunden hat.
Hohe Arbeitsnachfrage macht Engpässe wahrscheinlich
Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen ist ein Indikator dafür, wie schwierig es für arbeitsuchende Personen ist, eine neue Stelle zu finden. Das umgekehrte Verhältnis wird als Arbeitsmarktanspannung bezeichnet und stellt aus Sicht der Betriebe die nicht realisierte Nachfrage nach Arbeitskräften dem Angebot an arbeitslosen Arbeitskräften gegenüber.
Je niedriger das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen ist und je höher damit die Arbeitsmarktanspannung ausfällt, desto mehr Schwierigkeiten dürften Betriebe – unter sonst gleichen Bedingungen – haben, ihre offenen Stellen zu besetzen. Wie zwei IAB-Studien zeigen, die als IAB-Kurzbericht 23/2018 und IAB-Discussion Paper 2/2023 erschienen sind, geht eine höhere Arbeitsmarktanspannung mit einer geringeren Anzahl an Bewerbungen, einer längeren Suchdauer, einer größeren Anzahl an Suchkanälen sowie höheren Einstellungskosten einher.
Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen hat Ende 2022 im langjährigen Vergleich einen Tiefstand erreicht. Kamen während der Covid-19-Rezession im Jahr 2020 noch 3,3 Arbeitslose auf eine offene Stelle, waren es im vierten Quartal 2022 mit 1,2 Arbeitslosen pro offener Stelle fast nur noch ein Drittel des Ausgangswerts (siehe Abbildung 4). Im ersten Quartal 2023 hat sich der Wert wieder leicht auf 1,5 Arbeitslose pro offene Stelle erhöht.
Im Vergleich zum Jahr 2010 zeigen sich am aktuellen Rand nur noch geringfügige Ost-West-Unterschiede bei der Arbeitslosen-Stellen-Relation. In den pandemiebedingten Lockdown-Phasen war die Entwicklung in Ostdeutschland und Westdeutschland sehr ähnlich.
Ein anderer Indikator für betriebliche Rekrutierungsschwierigkeiten ist die Vakanzrate. Sie misst den Anteil der sofort zu besetzenden offenen Stellen an der gesamten Arbeitsnachfrage der Betriebe. Die gesamte betriebliche Arbeitsnachfrage entspricht der Summe aus der realisierten Nachfrage (sozialversicherungspflichtige Beschäftigung) und der kurzfristig nicht realisierten Nachfrage (sofort zu besetzenden offenen Stellen). Mit den sofort zu besetzenden Stellen sind offene Stellen gemeint, bei denen der vom Betrieb gewünschte Arbeitsbeginn bereits überschritten ist und die Arbeitsstelle deshalb zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit (anders als bei später zu besetzenden offenen Stellen) tatsächlich unbesetzt ist.
Die Vakanzrate erreichte im vierten Quartal 2022 mit 4,5 Prozent einen neuen Höchstwert. Im ersten Quartal 2023 sank die Rate auf einen Wert von 3,7 Prozent. Auf 100 von den Betrieben nachgefragte Arbeitskräfte kamen also aktuell 3,7 offene Stellen (siehe Abbildung 5). Im Vergleich dazu kamen zu Beginn der Covid-19-Rezession auf 100 nachgefragte Arbeitskräfte 1,8 offene Stellen.
Auch die Dauer von Stellenbesetzungsprozessen hat einen Einfluss auf das gemessene Niveau an offenen Stellen. Die geplante Vakanzdauer einer Stelle bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem Beginn der Suche und dem betrieblich gewünschten Arbeitsbeginn. Die ungeplante Vakanzdauer bezieht sich hingegen auf den Zeitraum zwischen dem tatsächlichen und dem betrieblich gewünschten Arbeitsbeginn, in dem die zu besetzende Stelle also ungewollt vakant bleibt. Die ungeplante Vakanzdauer ist daher ebenfalls ein Indikator, mit dem sich der Arbeitskräftebedarf und damit einhergehende Rekrutierungsschwierigkeiten quantifizieren lassen.
Wie im IAB-Kurzbericht 23/2018 gezeigt, hat die Vakanzdauer in wirtschaftlichen Boomphasen meist zu-, in Rezessionsphasen jedoch stets abgenommen. Auch während der Covid-19-Rezession hat sich die ungeplante Vakanzdauer etwas verkürzt (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 15/2021).
Am aktuellen Rand vergingen nach Angaben der Betriebe im Jahr 2022 im Durchschnitt 31 Tage vom gewünschten bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn (siehe Abbildung 6). Damit ist die ungeplante Vakanzdauer mit zunehmender Arbeitsmarktanspannung gegenüber dem Vorjahr wieder gestiegen. Auch die geplante Vakanzdauer hat im gleichen Zeitraum auf nunmehr 62 Tage zugenommen. Die tatsächliche Vakanzdauer (also die Dauer vom Beginn der Suche bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn) lag im Jahr 2022 somit bei durchschnittlich 93 Tagen.
Fazit
Der Arbeitsmarkt in Deutschland zeigt sich auch im ersten Quartal dieses Jahres insgesamt robust – trotz der bestehenden Unwägbarkeiten angesichts der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sowie der Herausforderungen durch Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Nachdem der Bestand an offenen Stellen Ende 2022 ein Allzeithoch von knapp 2 Millionen erreicht hatte, ist die Anzahl der offenen Stellen mit einem Minus von rund 237.000 nun wieder rückläufig.
Dieser Rückgang ist jedoch nicht für alle Wirtschaftsbereiche zu beobachten und konzentriert sich derzeit hauptsächlich auf kleinere Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten. Auch das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen hat sich, allerdings unterbrochen von den Folgen der Covid-19-Pandemie, fast kontinuierlich verringert. Es liegt im ersten Quartal 2023 mit einer Arbeitslosen-Stellen-Relation von 1,5 Arbeitslosen pro offener Stelle weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Mit dieser Entwicklung geht einher, dass Betriebe in hohem Ausmaß um Arbeitskräfte konkurrieren.
Die hier veröffentlichten Daten und weitere Informationen können auf der Webseite der IAB-Stellenerhebung heruntergeladen werden.
Datengrundlage: Die IAB-Stellenerhebung
Die IAB-Stellenerhebung wird als repräsentative Quartalsbefragung im Auftrag des IAB durchgeführt. Die Erhebung erfolgt seit 1989 im vierten Quartal jedes Jahres schriftlich mit einem mehrteiligen Fragebogen. Es handelt sich um die einzige Erhebung in Deutschland, die repräsentativ die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs misst und Informationen zu den betrieblichen Rekrutierungsprozessen erhebt. Seit dem 4. Quartal 2005 wird die Zahl der offenen Stellen für jedes Quartal erhoben (für weitere Informationen zur IAB-Stellenerhebung siehe Bossler et al. 2020).
In der schriftlichen Hauptbefragung im vierten Quartal jedes Jahres werden jeweils etwa 7 Prozent der deutschen Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angeschrieben. Der endgültige Rücklauf liegt im vierten Quartal zwischen 11.500 und 15.100 auswertbaren Fragebögen. Auf dieser Basis lassen sich repräsentative Aussagen getrennt für Ost- und Westdeutschland, für 6 Betriebsgrößenklassen sowie für 24 Wirtschaftszweige treffen.
Bei den Angaben aus der IAB-Stellenerhebung handelt es sich nicht um administrativ erfasste Zahlen, sondern um hochgerechnete Werte aus einer Stichprobe, die mit einer gewissen Ungenauigkeit einhergehen. Bei der Interpretation sollte deshalb berücksichtigt werden, dass sich Veränderungen der Zahlenwerte zum Teil im Bereich des Stichprobenfehlers bewegen. Die Ungenauigkeit nimmt bei Betrachtung kleinerer Substichproben zu.
Die auf Basis der IAB- Stellenerhebung hochgerechnete Zahl der gemeldeten offenen Stellen weicht üblicherweise von der durch die BA-Statistik ausgewiesenen Zahl der gemeldeten offenen Stellen ab, da es sich bei der IAB-Stellenerhebung um eine Befragung von Betrieben handelt, bei der Statistik der gemeldeten offenen Stellen hingegen um eine prozessproduzierte Statistik. Die Abweichungen sind in der Regel geringer, wenn man den Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung ausklammert, da dessen Betriebe ein besonderes Meldeverhalten aufweisen.
Literatur
Bossler, Mario; Kubis, Alexander; Moczall, Andreas (2017): Neueinstellungen im Jahr 2016: Große Betriebe haben im Wettbewerb um Fachkräfte oft die Nase vorn. IAB-Kurzbericht Nr. 18.
Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Küfner, Benjamin; Lochner, Benjamin (2020): The IAB Job Vacancy Survey: design and research potential. In: Journal for Labour Market Research, Vol. 54, No. 1, Art. 13.
Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Moczall Andreas (2018): IAB-Stellenerhebung von 1992 bis 2017: So wenige Arbeitslose pro offene Stelle wie nie in den vergangenen 25 Jahren. IAB-Kurzbericht Nr. 23.
Bossler, Mario; Popp, Martin (2023): Labor Demand on a Tight Leash. IAB-Discussion Paper Nr. 2. DOI:10.48720/IAB.DP.2302.
Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander (2021): Stellenbesetzungen in der Corona-Krise: Mehr Arbeitslose pro offene Stelle, weniger Besetzungsschwierigkeiten. IAB-Kurzbericht Nr. 15.
Gartner, Hermann; Weber, Enzo (2023): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – April 2023. In: IAB-Forum, 28.04.2023. DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230428.01
Keitel; Christiane: Ein neuer IAB-Monitor zum Brennpunktthema Arbeitskräftebedarf. In: IAB-Forum, 01.06.2023. DOI: 10.48720/IAB.FOO.20230530.02
verfasst von Nicole Gürtzgen, Alexander Kubis & Martin Popp, erschienen im IAB-Forum am 01. Juni 2023