Auch in diesem Jahr muss die ärztliche Untersuchung für viele Schulanfänger voraussichtlich ausfallen. Grund ist, dass in den Ämtern zu wenige Ärztinnen und Ärzte für die Schuleingangsuntersuchungen zur Verfügung stehen. Das berichtet der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). Auch im vergangenen Jahr konnten wegen der Corona-Pandemie und aufgrund Personalmangels viele Schuleingangsuntersuchungen nicht oder nur mit erheblichen Verzögerungen stattfinden.
In den Gesundheitsämtern leistet der „Kinder und Jugend Gesundheitsdienst“ (KJGD) die Schuleingangsuntersuchungen. Dieser ist seit Jahren unterbesetzt. In der aktuellen Corona-Pandemie werden die KJGD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter zudem vielerorts stark in das Pandemiemanagement eingebunden – die eigentlichen Aufgaben bleiben oft auf der Strecke.
„Das ist ein Drama. Die Schuleingangsuntersuchungen sind kein entbehrlicher Verwaltungsakt, sondern ein wichtiges Instrument, um zu erkennen, wo Kinder Förderung und Familien Hilfe benötigen. Fallen sie aus, trifft das besonders jene, die sozial sowieso schon benachteiligt sind“, sagt die Vorsitzende des BVÖGD, Dr. Ute Teichert.
Der BVÖGD fordert daher mehr Ärztinnen und Ärzte sowie weiteres Fachpersonal für den KJGD in den Ämtern. Wichtig sind laut dem Verband außerdem eine zeitgemäße technische Ausstattung und altersgerechte Untersuchungs- und Testmaterialien.
Die Mittel dazu stehen mit dem sogenannten Pakt für den ÖGD grundsätzlich zur Verfügung. Allerdings ist es für die Gesundheitsämter sehr schwer, Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen: „In den Gesundheitsämtern herrscht eklatanter Personalmangel, insbesondere bei den Fachärzten, und dies liegt nicht zuletzt an der wesentlich schlechteren Bezahlung im Vergleich zu den Gehältern an kommunalen Kliniken“, erläutert der tarifpolitische Sprecher des Verbandes, Dr. Matthias Albers. „Nur wenn Ärztinnen und Ärzte, die nach abgeschlossener Weiterbildung in der Klinik als Facharzt ins Gesundheitsamt wechseln, dort auch wie ein Facharzt bezahlt werden, kann es gelingen, Personal zu gewinnen“, betont er.
Bei den Schuleingangsuntersuchungen erfassen Ärztinnen und Ärzte den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Kinder. „Dabei sehen wir bei allen Familien und ihren Kindern mal fehlende Impfungen, chronische Erkrankungen, die unzureichend behandelt werden, Entwicklungsverzögerungen und vieles mehr – aber auch Beratungsbedarf hinsichtlich der Anforderungen in der Schule “, erläutert Teichert. Die Untersuchungen seien deshalb sehr wichtig, um benachteiligte Kinder zu erkennen und Förderungen auf den Weg zu bringen. „Unter welchen Bedingungen kann ein Asthma krankes Kind die Schule uneingeschränkt besuchen? Zeigen sich bei einem Kind vor der Einschulung Sprachdefizite? Ist ein Kind hörgeschädigt? – diese und viele andere Fragen sind sehr wichtig, damit die Kinder im Schulalltag bestehen und gesund aufwachsen können“, so die Expertin. Die Schuleingangsuntersuchungen seien aber auch für die Schule bedeutsam: „Die Lehrkräfte erfahren, welche besonderen Aufgaben und Herausforderungen auf sie zukommen und können sich entsprechend vorbereiten“, so die BVÖGD-Vorsitzende.
Wichtig sind die Untersuchungen laut dem Verband außerdem aus epidemiologischer Sicht: Sie erfassen den Gesundheits- und Entwicklungsstand eines kompletten Jahrgangs und bilden die Grundlage für politische Weichenstellungen in den Regionen. „Gute politische Entscheidungen sind nur auf der Basis von zuverlässigen Daten möglich“, betont Teichert.
Quelle: Pressemitteilung Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes vom 23.06.2021