Thema des Monats Juni 2021 – Kindergesundheit

Das Bild der Kindheit hat sich in der Geschichte der Menschheit stark gewandelt. Vor allem die Sicht der Erwachsenen auf den Nachwuchs war vielen Veränderungen unterworfen. Zeitweise wurden Kinder als Erwachsene im „Miniformat“ betrachtet, die sich im Großen und Ganzen den gleichen Regeln und Anforderungen zu beugen hatten. Dass die Kindheit jedoch eine wichtige und auch aus gesundheitlicher Sicht bedeutende Phase des Aufwachsens ist, ist zumindest heute allen klar. In den ersten Lebensjahren prägen sich Sozialverhalten und Immunsystem, entwickeln sich Präferenzen und kognitive Fähigkeiten. Und auch wenn zum Ende der Pubertät zur Freude vieler Eltern mit der körperlichen Reife auch etwas emotionale Stabilität einzieht, geht die soziale und mentale Entwicklung junger Menschen weiter.

Teil 1: Die aktuelle Situation von Kindern und Jugendlichen

Naturgemäß sind die ersten 20 Lebensjahre für die meisten Menschen von gesundheitlicher Sorglosigkeit geprägt. Der Körper ist noch jugendlich frisch, kann vieles gut „wegstecken“ und auch das Immunsystem läuft in der Regel nach ein-zwei Jahren im Kindergarten zur Höchstform auf.

Trotzdem beobachten wir bei vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend gesundheitliche Einschränkungen, die das gesunde Aufwachsen und eine erfolgreiche Entwicklung einschränken können. Die Schuleingangsuntersuchungen sind ein guter Indikator für die Gesundheit der Kleinsten und zeigen auch uns als Gesundheitsförderern deutlich auf, wo es Handlungsbedarfe gibt.

Derzeit ist vor allem Adipositas eine besorgniserregende Entwicklung. Immer mehr Kinder schleppen zu viele Pfunde mit sich herum, oft genug ausgelöst durch Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung. Für die Betroffenen ist das nicht nur körperlich eine große Belastung: Die seelische Gesundheit leidet ebenso, unter Hänseleien, Selbstzweifeln und Einsamkeit. Auch die Prägung des Stoffwechsels, die hormonelle Entwicklung und ein gesundes Körpergefühl sind durch Übergewicht aus der Bahn geworfen. Ein wahrhaft gewichtiges Problem, mit dem viele bis ins Erwachsenenleben zu kämpfen haben.

Ein eher neues Phänomen, dass nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie verstärkt an Aufmerksamkeit gewonnen hat, ist die psychische Gesundheit von Kindern. Schon seit einigen Jahren häufen sich Berichte über Stress und Leistungsdruck bereits im Grundschulalter. Angststörungen, Schlafprobleme und Depressionen sind leider immer öfter Bestandteil einer Kindheit, die eigentlich sorglos und unbeschwert sein sollte. Die Effekte der Schul- und Kitaschließungen sind heute noch nicht abzuschätzen, es steht jedoch zu befürchten, dass viele Kinder noch lange an den Auswirkungen von Homeschooling, sozialer Distanz und fehlenden Entwicklungsimpulsen zu knabbern haben werden.

Umweltbelastungen und Klimawandel führen darüber hinaus auch bei Kindern seit Jahren zu einem Anstieg von Allergien und Unverträglichkeiten. Dieser Trend ist nachweisbar über alle Altersgruppen hinweg zu beobachten und hat nur wenig mit der vermeintlichen „Naturferne“ der heutigen Kindergeneration zu tun. Auch wenn es auch vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse durchaus Handlungsbedarfe für ein gesünderes Aufwachsen gibt und die Gesundheitsförderung noch an vielen Stellen einen Beitrag leisten kann, können die meisten Kinder trotz allem eine weitestgehend unbeschwerte Kindheit und Jugend genießen. Damit das so bleibt, setzen wir uns für ein gesundes Aufwachsen ein.

Teil 2: Prävention und Gesundheitsförderung wirkt – vor allem bei den Kleinen

Haben Sie schon einmal etwas von Sozialrendite gehört?
Hinter diesem sehr wirtschaftlich klingenden Begriff versteckt sich die Überlegung, inwieweit sich Investitionen in der Gesellschaft rentieren. Auch Investitionen in die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind vor diesen Überlegungen auf ihren „Gewinn“ für die Gesellschaft untersucht worden. Mit Ergebnissen, die eindeutig für den präventiven Ansatz der Gesundheitsförderung sprechen!

Studien zeigen, dass insbesondere bei einem frühen gesundheitsförderlichen Ansatz die Rendite besonders hoch ist. Anders ausgedrückt: Je früher im Leben die Maßnahmen der Gesundheitsförderung eingesetzt werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass damit spätere gesundheitsbezogene Kosten oder Ausfälle durch Krankheit vermieden werden können.

Begründet wird dies vor allem damit, dass in den ersten Lebensjahren viele Weichen für das spätere Leben gestellt werden. Nicht nur körperlich etablieren sich z. B. Stoffwechselprozesse und Hormonkreisläufe, auch Verhaltensweisen und Präferenzen bilden sich in der Kindheit aus.

Sei es die Freude an Bewegung, das regelmäßige Zähneputzen oder die Prägung auf eine gesunde Ernährungsweise: Je gesünder Kinder aufwachsen, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie erlernte gesunde Verhaltensweisen auch im Erwachsenenalter beibehalten und sogar später an ihre Kinder weitergeben.

Warum werden also nicht alle verfügbaren Gelder ausschließlich in die Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit investiert? Eine solche Forderung liegt vor dem Hintergrund des gerade beschrieben Effekts nahe, vor allem, da in den Settings Kita und Schule nahezu alle Kinder erreicht werden können.

Es ist zwar richtig, dass Gesundheitsförderung im Kindesalter besonders effektiv sein kann, jedoch können nicht alle Themen bereits in diesem Alter behandelt werden. Weiterhin stellen spätere Lebenssituationen häufig andere Anforderungen, die weder vorhergesehen, noch wirksam vorgebeugt werden können. Gesundheit ist ein Thema, das in allen Lebensphasen relevant bleibt und damit ist auch die Gesundheitsförderung immer wieder gefragt, alters- und themenspezifische Angebote zu machen. Wie die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung ein gesundes Aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt, lesen Sie in der nächsten Ausgabe.

Teil 3: Angebote der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung zur Kindergesundheit

Vor gut 30 Jahren startete das erste Projekt der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Mecklenburg-Vorpommern: „Gesunde Kinder“ und der Name war Programm. Zusammen mit den Figuren Hoppel und Brummel lernten Kindergartenkinder damals die Bedeutung von gesunder Ernährung, Bewegung und persönlicher Hygiene kennen. Seither ist das Thema Kindergesundheit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung erhalten geblieben, sei es durch Weiterbildungen für pädagogische Fachkräfte, Kampagnen zur Förderung der U-Untersuchungen oder auch die bis heute laufenden Programme zur Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten und Schulen.

Aktuell biete die Landesvereinigung mit dem Programm „Schatzsuche“ eine Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte an, die gemeinsam mit den Eltern die gesundheitlichen „Schätze“ der Kinder heben wollen. In der Weiterbildung lernen die Erzieherinne und Erzieher das Schatzsuche-Programm kennen und setzen es später selbstständig in ihren Einrichtungen um. Dabei geht es um einen ressourcenorientierten Blick auf Fähigkeiten und Unterstützungsbedarfe der Kinder, aber auch um die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Eltern. Vor allem das psychische Wohlbefinden der Kinder seht im gemeinsamen Fokus.

Ebenfalls im Setting Kita ist das Projekt „GeStiKuS“ angesiedelt, dessen Kernthema der Aufbau gesundheitsförderlicher Strukturen in Kindestagesstätten und Schulen ist. Seit dem Start im Jahr 2015 konnten inzwischen fast 80 Kindergärten, Horte und Schulen am zweijährigen Programm teilnehmen. Neben der grundsätzlichen Beschäftigung mit Gesundheitsförderung im Team werden die Bemühungen bedarfsgerecht durch externe Referenten unterstützt. Der Projektkoordinator der LVG steht den Einrichtungen dabei während des gesamten Prozesses zur Seite und unterstützt bei der Planung einer eigenen Strategie zur Gesundheitsförderung.

Schon immer spielte die Weiterbildung von Fachkräften in der Arbeit der Landesvereinigung eine bedeutende Rolle. Ob Lehrergesundheitstage, Lütten-Hüter-Tag oder die kleinen und großen Kindergartentage: Nur gut aus- und weitergebildete Fachkräfte können für die kleinen und großen Kinder ein gesundes Umfeld schaffen und einen Beitrag zu gesundem Aufwachsen leisten.
Wenngleich der Kindergartentag pandemiebedingt 2020 und 2021 abgesagt werden musste, freuen wir uns schon auf die nächste Ausgabe im kommenden Jahr. Wir hoffen, dass wir nach der Zwangspause erneut bis zu 500 Teilnehmende begrüßen und mit unseren Workshopangeboten begeistern können.

Nicht immer jedoch kann das Thema Gesundheit im Kindesalter aus präventiver Sicht betrachtet werden. einige Kinder und Jugendliche kämpfen schon in jungen Jahren mit gesundheitlichen Einschränkungen, die ihre Chancen auf ein gesundes Aufwachsen vermindern. Hier setzt das Projekt „Förderung der Inanspruchnahme von Angeboten der Kinder- und Jugendrehabilitation“ an, das vor allem Multiplikatoren aus der Kinder- und Jugendarbeit auf die Möglichkeiten einer kindzentrierten Reha aufklären und zur Weitergabe von Informationen befähigen will. Ob chronische Erkrankungen, Entwicklungsstörungen oder Adipositas, viele Indikationen erlauben es Kindern und Jugendlichen, über die Rentenversicherung in einer spezialisierten Reha-Einrichtung den Umgang mit ihrer Erkrankung zu lernen und -wo möglich – selbst einen Beitrag zu ihrer Genesung zu leisten.

Mehr Informationen zu all unseren Angeboten finden sie auf unserer Internetseite: https://gesundheitsfoerderung-mv.de/home/kinder-und-jugendliche/

Teil 4: Ziele für ein gesundes Aufwachsen und was zu tun ist

In Mecklenburg-Vorpommern steht die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen schon lange im Fokus. Seit 2003 gibt es Kindergesundheitsziele, die immer wieder überarbeitet und erweitert wurden. Anfang September 2020 wurde die neueste Fassung der Gesundheitsziele zum gesunden Aufwachsen an den zuständigen Minister Glawe übergeben. In einem intensiven Prozess hatten sich Mitglieder des Aktionsbündnisses für Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern über ein gutes Jahr hinweg mit der gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt und im Ergebnis zehn neue Gesundheitsziele definiert und mit Teilzielen untersetzt.

Dabei umfasst das Spektrum nicht nur klassische Themen der Prävention und Gesundheitsförderung, sondern auch strukturelle Forderungen und Verbesserung von Rahmenbedingungen.

Als besonders prioritär werden derzeit die Ziele zur Verbesserung von Motorik und Bewegungsverhalten, zur Förderung von psychischer Gesundheit und zur Unterstützung von suchtgefährdeten und suchtkranken Kindern und Jugendlichen betrachtet.

Auf struktureller Ebene sollen die Erhebung und Evaluation von Daten zum Gesundheitsstatus ausgebaut werden, die Stärkung von Unterstützungsstrukturen im Bereich der Frühen Hilfen sowie eine erhöhte Inanspruchnahme von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen in den Fokus genommen werden.

Die Ziele können Sie hier noch einmal genau nachlesen: https://t1p.de/89qh

Die Gesundheitsziele für die Lebensphase „Gesund Aufwachsen“ sind ein guter Anfang, jedoch nur der erste Schritt. Bisher sind die Ziele nicht gesetzlich verankert, auch die geforderte Landesgesundheitsstrategie wird wohl vor der Wahl nicht mehr zustande kommen. Rückenwind bekommen die Ziele derzeit vor allem in Form einer Selbstverpflichtung der Mitglieder des Aktionsbündnisses. Aber immerhin, mit einer breiten Unterstützung aus den Reihen der Akteure bieten die Gesundheitsziele einen guten Ausgangspunkt für einen systematischen und zielgerichteten Einsatz für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in unserem Bundesland. Und auch im zuständigen Referat sowie in der Steuerungsgruppe des Aktionsbündnisses wird fieberhaft daran gearbeitet, die Gesundheitsziele auf eine noch stabilere Basis zu stellen.